Benjamin Strasser

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Wir brauchen eine Bürokratiebremse im Grundgesetz

Mein Gastbeitrag für die Tageszeitung "DIE WELT" zum Thema Bürokratieabbau

Bild von Franz Bachinger auf Pixabay

Bild von Franz Bachinger auf Pixabay

Die Ampel-Koalition hatte sich den Bürokratieabbau auf die Fahnen geschrieben. Aber das Vorhaben wurde von Rot-Grün ausgebremst, wie unser Gastautor von der FDP erfahren musste. Er war Koordinator für Bürokratieabbau der Bundesregierung.

Es war ein bemerkenswerter Moment auf einem Unternehmertag, als Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) plötzlich die berühmt-berüchtigte Milei’sche Kettensäge auspackte. Habeck ging es nicht um einzelne Verbesserungen beim Bürokratieabbau, sondern darum, insbesondere hinsichtlich des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes „die Kettensäge anzuwerfen und das ganze Ding wegzubolzen“. Selbst Bundeskanzler Scholz (SPD) ließ sich auf dem Deutschen Arbeitgebertag zu der Feststellung hinreißen: „Das muss weg.“

Es scheint sie zu geben, die breite Einigkeit der demokratischen Parteien für ganz große Schritte beim Bürokratieabbau. Und in der Tat: Viele Menschen haben es satt, in ihrem Alltag einen Staat zu erleben, der sie mit Kleinstvorgaben gängelt, während er bei den großen Aufgaben zunehmend handlungsunfähig auftritt.

Wenn dem zunehmenden Aufwuchs an Bürokratie nicht endlich Einhalt geboten wird, zerstört dies das Vertrauen der Menschen in den liberalen Rechtsstaat. Fehlender Bürokratieabbau ist deshalb im wahrsten Sinne demokratiegefährdend.

Ich habe die Kehrseite dieser großen Ankündigungen in meiner praktischen politischen Arbeit im Staatssekretärs-Ausschuss Bürokratieabbau kennengelernt. Mehr Ausreden als konkrete Vorschläge – das war leider zu oft die Handlungsmaxime vieler rot und grün geführter Häuser. So ist es wenig verwunderlich, dass Habecks „Kettensäge“ nicht nur von SPD und Grünen, sondern auch von den Ministerien der Bundesregierung sehr schnell wieder eingepackt worden ist.

Ja, wir haben in der Bundesregierung mit dem Meseberger Bürokratieabbau-Paket die größte Bürokratieabbau-Offensive in der Geschichte der Bundesrepublik auf den Weg gebracht. 3,5 Milliarden Euro weniger Bürokratiekosten für Unternehmer und Bürger. Und das jedes Jahr. Allerdings haben dazu maßgeblich nur zwei Ministerien der Bundesregierung beigetragen. 90 Prozent aller beschlossenen Maßnahmen stammten aus den FDP-geführten Ministerien für Finanzen und Justiz.

Deshalb ist klar: Wenn wir Bürokratieabbau im Alltag der Bürger spürbar werden lassen wollen, müssen engagiertere Schritte folgen. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir deshalb auch angebliche „Schutzvorschriften“ infrage stellen müssen.

Bonpflicht abschaffen? Das ermögliche Umsatzsteuerbetrug im großen Stil! Die Anzahl an Sicherheitsbeauftragten eindampfen? Die Unternehmer spielten fahrlässig mit der Gesundheit ihrer Arbeitnehmer! Meine Bank muss mir wegen zwei Euro Gebührenerhöhung nicht mehr 20 eng bedruckte Seiten Belehrung zuschicken? Angeblich das Ende des Verbraucherschutzes in Deutschland!

Ich kenne all diese Scheinargumente. Und ich bin sie mittlerweile leid. Wie viele Bürgerinnen und Bürger auch. Es ist erschreckend, dass Bürokratieabbau aus dem Mund von Politikern für die Bürger mehr Bedrohung als Verheißung ist.

Sollten es CDU/CSU, SPD und Grüne deshalb in der Praxis tatsächlich genauso ernst meinen mit einem umfassenden Bürokratieabbau wie die FDP, müssen diese vier Fraktionen in der nächsten Wahlperiode ein wirksames Steuerungsinstrument in der Verfassung verankern. Wir brauchen die Bürokratiebremse im Grundgesetz. Die sogenannte „One in, two out-Regel“ sollte verfassungsrechtlich abgesichert werden und dabei auch europäische Gesetzgebung erfassen.

Bürokratie-Exzesse eindämmen

Die Regel bedeutet: Für den Erfüllungsaufwand jedes neuen Gesetzes müsste er in doppelter Höhe aus anderen Gesetzen gestrichen werden. Das würde Bürokratie-Exzesse wie von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen (CDU) eindämmen und Deutschland zum Handeln zwingen.

Die Bürokratiebremse im Grundgesetz wäre die notwendige Ergänzung zur Schuldenbremse. Denn sie stellt wie die Schuldenbremse im Regierungsalltag die grundsätzliche Frage an die Abgeordneten: Was ist staatliche Kernaufgabe – und was können die Menschen selbst untereinander regeln? Wie schaffen wir eine neue Vertrauenskultur des Staates gegenüber den Bürgern?

Ausgerechnet Franziska Brantner, die neue Bundesvorsitzende der Grünen, hat es auf den Punkt gebracht: Die Menschen erwarten ein Land, das einfach funktioniert. Dazu gehört es dann aber auch, die notwendigen Schritte zu gehen. Ein Staat, der sich eben nicht verzettelt im Klein-Klein, sondern bei den großen Fragen handelt und die richtigen Rahmenbedingungen für eine echte Wirtschaftswende schafft. Dazu ist umfassender Bürokratieabbau ein notwendiger Hebel zum Nulltarif. Die Zeit der Ausreden und Ankündigungen muss enden. Die Bürokratiebremse in der Verfassung wäre der entsprechende Handlungsauftrag.

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